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Die goldenen Jahre des sozialen Europas liegen wahrscheinlich hinter uns

Nach einer relativ üppigen Ernte im Zeitraum 2019-2024 sieht das Sozialprogramm der nächsten EU-Exekutive eher bescheiden aus.

Autor: S. De la Parra

Autor: S. De la Parra

Am 18. Juli 2024 bestätigte das Europäische Parlament Ursula von der Leyen für eine zweite fünfjährige Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission. Bei dieser Gelegenheit stellte die deutsche Politikerin die wichtigsten Prioritäten ihrer künftigen EU-Exekutive vor.

Es überrascht nicht, dass die Wettbewerbsfähigkeit, im Einklang mit der Strategischen Agenda 2024-2029 des Europäischen Rates, den Löwenanteil ausmacht. Dazu gehören die Vertiefung des Binnenmarktes, eine ehrgeizigere gemeinsame Industriepolitik, die Förderung von Forschung und Innovation und die Freisetzung der notwendigen Investitionen. Die zweite Priorität ist Verteidigung und Sicherheit, wozu die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion und Initiativen gegen das organisierte Verbrechen gehören, aber auch Initiativen, um „unsere Grenzen sicherer zu machen“ und die „Herausforderung“ der Migration anzugehen.

Die dritte Priorität ist die Sozialpolitik. Auf den ersten Blick erscheint sie jedoch eher schwach, vor allem im Vergleich zur gerade zu Ende gegangenen Legislaturperiode.

Die sozialen Errungenschaften der EU im Zeitraum 2019-2024 wurden als „Renaissance“ der EU-Sozialpolitik oder gar als „Paradigmenwechsel“ gefeiert. In der Tat ist die Liste, der in dieser Legislaturperiode verabschiedeten verbindlichen Sozial- und Beschäftigungsvorschriften beeindruckend. Sie umfasst unter anderem die Richtlinien über Mindestlöhne, über Plattformarbeiter, über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen und über Lohntransparenz. Auf der anderen Seite haben eine Reihe von „Soft Law“-Initiativen das Licht der Welt erblickt, wie etwa die Empfehlung zur Stärkung des sozialen Dialogs in der EU. Schließlich wurden die EU-Mittel für Projekte in den Bereichen Beschäftigung und Soziales mit der Annahme der Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit in Höhe von 650 Milliarden Euro aufgestockt.

Die Sozialagenda der kommenden Exekutive mag im Vergleich dazu bescheiden erscheinen. Auf der einen Seite gibt es zahlreiche Initiativen mit einprägsamen Namen, deren tatsächliche Auswirkungen zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer zu messen sind. Dazu gehören ein „Roadmap“ für hochwertige Arbeitsplätze und eine für Frauenrechte, ein Pakt für den europäischen sozialen Dialog, ein neuer Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und mehrere Strategien (gegen Armut, gegen Rassismus, für die Gleichstellung der Geschlechter, für LGBTIQ-Menschen).

Andererseits kündigte von der Leyen nur wenige konkrete Initiativen an. Dazu gehören eine Initiative zur künstlichen Intelligenz am Arbeitsplatz, eine Initiative zu den schädlichen Auswirkungen sozialer Medien auf das Wohlbefinden junger Menschen, eine Initiative zur psychischen Gesundheit, auch am Arbeitsplatz, und eine Initiative zur Telearbeit und zum Recht auf Abschalten.

Das ehrgeizigste Projekt im sozialen Bereich schließlich scheint die Strategie zur Bewältigung der aktuellen Wohnungskrise zu sein, die durch steigende Mieten und Hauspreise sowie eine Investitionslücke im sozialen Wohnungsbau gekennzeichnet ist. Um dieses Problem anzugehen, kündigte von der Leyen die Einsetzung eines entsprechenden Kommissars und einen europäischen Plan für bezahlbaren Wohnraum an. Dazu gehören die Einrichtung einer Plattform zur Förderung von Investitionen in erschwinglichen und nachhaltigen Wohnraum und die Überarbeitung der EU-Beihilfevorschriften, um Fördermaßnahmen für den Wohnungsbau zu ermöglichen.

Auch wenn das Gleichgewicht im neuen Europäischen Parlament durch die jüngsten Wahlen nicht gestört wurde, werden Entscheidungen in der EU immer noch hauptsächlich auf Ratsebene getroffen. Und hier werden die neuen politischen Gleichgewichte in den Mitgliedstaaten mit einer immer stärker werdenden extremen Rechten, es der Kommission wohl kaum erlauben, etwas anderes ins Auge zu fassen. Die goldenen Jahre des sozialen Europas liegen wahrscheinlich hinter uns.